Dienstag, 22. Mai 2007

Ein Abend in Rom

Der moderne Jetsetter, ob in Anzug oder in kleinem Schwarzen, geht eleganten, doch schnell gemessenen Schrittes den Flughafen entlang, das Handy als Handverlängerung stets am Ohr. So gelangt er von der chinesischen Metropole Shanghai direkt nach bella Italia, nach Rom.
Der Zeitreisende steigt in sein nach jahrelanger Tüftelei hergestelltes Gefährt, ob es nun ein Auto ist, das exakt bei der Geschwindigkeit von 88 mph vom Blitz getroffen werden muss oder eine H.G. Wells nachempfundene Maschine, und schon ist er im alten Rom.
Wer weder Jetsetter noch Mechaniker ist, zieht sich einfach ein Bettlaken über, vielleicht noch einen Lorbeerkranz und ein Schwert dazu und voilà, schon sind wir im alten Rom!

Letztes Wochenende hat meine WG eine Motto-Party geschmissen, um drei Geburtstage zu feiern! Ich erinnere mich noch gut an eine gewisse Bad-Taste-Party, bei der ich ein Kostüm anhatte wie die Nanny aus der Fernsehserie... Diesmal habe ich allerdings ein Laken in Blau gewählt (Weiss war nur im Mehrfachpack zu bekommen) und als Brosche ein Geschenk - wie nennt man das?- eine Geschenkbandkreation angeheftet. Allerdings sah ich dann tatsächlich aus wie ein schlecht verpacktes und etwas krude eingewickeltes Geschenk (ich hatte mit der Einkleidung ein wenig Schwierigkeiten). Die meisten haben sich allerdings richtig toll kostümiert, bis auf ein paar Spalter haben sich alle in Schale geschmissen:


Passend zur Deko das Poster mit Maoisten und China-Karte im Hintergrund. Ich bin diejenige hinten in Blau, der gerade das Bier eingeflösst wird.

Die meisten Leute kannte ich vorher noch nicht so gut, aber wozu gibt's denn Alkohol... Nein, ich habe mich jedenfalls mit ein paar Freunden meiner Mitbewohner gut unterhalten und sie etwas besser kennengelernt. Qiu Hoa und Ying Fangjuan sind auch kurz vorbeigekommen, und so habe ich einen schönen Abend in Italien verbracht. Dazu habe ich jedoch thematisch unpassendes Curry gekocht (Indien?), aber Thibault hat Nudelsalat gemacht, das gab's damals bestimmt auch!


Meine netten französischen Mitbewohner: François, Maxime und Thibault, der grad eine Vision von den Iden des März hat

(François sitzt in diesem Moment hier und hat mir eröffnet, dass er und Maxime jetzt zur Kirche gehen. Ich war ein wenig unsicher, ob das ein Scherz sein sollte, da ich es mir von diesen harten Partymachern nicht ganz vorstellen konnte. Doch wie heisst es so schön: Trinke und bete!)

Zurück zur Party: Es gibt nichts Besseres als einen Balkon in einer lauen Shanghaier Frühlingsnacht, ausserdem man kann lernen, wie man Zigaretten am Gasherd anzündet, Mika "Relax, take it easy" und "Wouldn't it be nice" von den Beach Boys laufen zusammen mit anderen Liedern mindestens 10mal in der Endlosschleife, obwohl die Jungs einen Wahnsinns-Musikvorrat haben, und kurzfristig schliessen sich Leute in der Küche ein (normalerweise ist es das Bad).
Nachdem ich dachte, mein Vorgänger hat was dagegen, dass ich jetzt in seinem Zimmer wohne, standen wir anschliessend vertraut nebeneinander in der Küche. Und hatten, wie es so üblich ist, eins von diesen tiefsinnigen Partygesprächen über Gott und die Welt, wo man sich mit mehr Alkohol gegenseitiger Sympathien versichert - und sich anschliessend noch mal ins Nachtleben stürzt!

Mit einer kleinen Gruppe von Auserwählten haben wir uns also auf eine abenteuerliche Taxifahrt auf der Suche nach einer geheimnisvollen Party-Location begeben: Pier One, ein Club direkt am Suzhou-Fluss. Auf dem Weg zum Eingang geht man auf Docks über das Wasser, und was für ein Ausblick: Von der Sessel-Lounge sieht man direkt auf den friedlich vor sich hintreibenden Fluss. Wir merken allerdings recht schnell, dass die Nacht sich schon dem Ende zuneigt: Ein paar Leute schlafen in den edlen weissen Sesseln, auf der Tanzfläche ist Platz, und man bekommt sofort Getränke! Aber solange die Musik noch geht, geht immer was! Also rauf aufs Parkett!

Zu später Stunde will ich noch grosse Gespräche führen und entfalte gegenüber Dominik die Art von Philosophien, wie sie nur extrem angetrunkenen Menschen zueigen ist: "Ja, und dann musst du einfach, weil, geht ja auch nicht anders, man sollte sowieso nicht immer, das machen ja eh zuviele, und früher ist mir das auch immer passiert, aber das muss man mit der Zeit hinter sich lassen, und im Grunde ist das alles auch gar nicht so wichtig, man denkt das immer, aber ist gar nicht so..."

Dann geschieht das Unfassbare: Musik aus, Licht an! Wir sind tatsächlich die Letzten. Also wird das philosophische Gespräch, das sich mit den platonischen Dialogen durchaus messen könnte (zumindest, was die Länge betrifft) zum Glück unterbrochen und der Heimweg per Taxi beschlossen.


Zwei Nachtschwärmer auf dem Weg ins Ungewisse

Am Samstag kam ich mir gar nicht so betrunken vor (gut, bis auf das Philosphieren vielleicht), aber die Frage zum Sonntag: Was ist dieser glühende rote Ball, der leichte bis mittlere Schmerzwellen inmitten meines Universums aussendet? Es war leider mein Kopf.

Dass meine Mitbewohner "Wind of Change" von den Scorpions im Wohnzimmer aufdrehen, führt mehr zu Halluzinationen als zur Besserung meines Zustandes. Und man kennt das ja, wenn man aufsteht und einen Anblick auf das übel aussehende Partyzimmer mit Alkoholresten und Zigarettenrauch wirft, wird einem gleich wieder ein bisschen blümerant. Als ich schliesslich mit dem Vorsatz aufstehe, ein wenig aufzuräumen, hat die Putzfrau den Grossteil schon erledigt.

So peinlich es mir auch ist: Wir haben tatsächlich eine Putzfrau hier. Wenn sie nicht schon da gewesen wäre, ich hätte keine engagieren wollen. Wie meine Freundin Svenja sagt: Eine steile Karriere, erst noch arbeitslos in Köln, jetzt schon eine Putzfrau! Ich fühle mich etwas unwohl und finde das ein wenig bonzig, aber für sie ist es vielleicht einfach ein Job. Und ich muss leider zugeben, dass sie einem nach einer Party wie ein Geschenk des Himmels erscheint.

Mein Chef fragt mich am Montag: "Und, was hast du am Wochenende gesehen?" -"Shanghai bei Nacht!" - "Was, du hattest tagsüber frei und hast nur die Nacht gesehen?" Aber nein, ich habe auch etwas Kultur gemacht, ich war bei einer Austellungseröffnung in Ying Fangjuans Galerie! Aber doch, diese Woche habe ich mein Wissen über Shanghaier Nächte etwas erweitert -demnächst alles hier zu lesen, stay tuned!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wie viele Leute aus West gibt es in Shanghai?!!Ich finde lustig,dass ein roemanische Party in China stattfindet...echt eine komische Welt:)continuo a leggere le tue appassionanti avvenuture..e ora ho sempre più voglia di dirigermi ad est!quest'estate andrò in Birmania...è già un inizio:) un bacio dalla tua Torino