Dienstag, 29. Mai 2007

Shanghai bei Nacht

Sobald die Sonne untergeht, entflieht das bunte Treiben der Strassen Shanghais nach und nach in die Garküchen, Restaurants, Bars und Clubs. Diesem Sog kann man sich nicht entziehen, dieses Nachtleben macht süchtig nach mehr!
Ein Donnerstagabend in Shanghai: Mein Mitbewohner Max, Sophie und ich treffen uns zunächst im Restaurant Azul und beginnen den Abend mit einem erlesenen Tapas-Menü: Auf blütenweissen Tischdecken werden uns Austern, Shrimps-Salat mit Avacado, Carpaccio nebst Rotwein und anderen Delikatessen serviert. Dazu kredenzen wir selbst Klatsch und Tratsch.
Von diesem feinen Etablissement begeben wir uns in die gegenüberliegende schmierige Spelunke, da es dort einen Billardtisch gibt! Allerdings zögern wir zunächst einzutreten - Sophie hegt den Verdacht, dass sich bei dieser Location um eine Prostituierten-Bar handelt.
Ich betrachte das Ganze naiv wie immer und denke, ok, die Mädels sind zwar ein bisschen zu schick für den schäbigen Laden angezogen, aber vielleicht kennen sie den Besitzer und wollen einfach ein bisschen Stimmung machen...
Letztendlich heisst es Hauptsache Bier und Billard, also hinein. Max schaut sich kurz um: "Ah, ich glaube, es ist genau, was du gedacht hast, Sophie..."

Dieses Foto habe ich in einer anderen Strasse voll mit diesen bestimmten Bars geschossen - auch wenn man die Leuchtschrift nicht so gut lesen kann, die Farbe ist unmissverständlich: Willkommen im Puff "Hilda"!

Was die anderen Leute da gemacht haben, weiss ich nicht - wir haben jedenfalls zwei züchtige Billardspielchen absolviert und ich habe mal wieder unter Beweis gestellt, knapp daneben ist auch vorbei.
Als nächstes wieder ab ins Taxi, dem nächtlichen Fortbewegungsmittel, und von der Französischen Konzession streben wir dem anderen Event-Distrikt entgegen: dem sogenannten Bund, der Riesenstrasse entlang des Huangpu-Flusses.
Carla: "In welche Bar gehen wir denn?" Max: (antwortet etwas, das wie "Larry's" klingt). Ich stelle mir das also wie eine leicht ranzige Kneipe mit verrauchtem Holz und alter Theke vor, eine Mischung aus American Sportsbar und Irish Pub vielleicht, und denke, ah ja, ein nettes Bierchen bei Larry...
Dort angekommen entpuppt sich der joviale Larry als "Laris" mit gefliestem Boden, Marmordekor, stylisher Beleuchtung, weiss-edlen Sitzgelegenheiten und schmuck gekleideten Gästen. Meine erste Befangenheit wird schnell durch das Tagesangebot beiseite gefegt: zwei Martinis zum Preis von einem!










Max an der wunderschön angeleuchteten Glasbar und Sophie auf der Tanzfläche
Zumal Martini nicht gleich Martini ist: Ob üblich für Shanghai oder China, hier wird er als Fruchtcocktail geliefert. Ich entscheide mich für Mint-Orange und Lychee (Litschi?) und bin mit jedem Schluck im Himmel. Dann machen wir eine Weile die Tanzfläche unsicher; in meinem Elan erwische ich das Glas von Max' temporärem Schwarm und biete ihr einen neuen Martini an. Leider verträgt sie den Alkohol nicht mehr so gut, und der Abend ist leider schnell vorbei.
Nach kurzen Gewissensbissen ziehen wir weiter in die legendäre Bar Rouge mit Dachterasse und einer atemberaubenden Aussicht über den Bund. Sophie zeigt mir den Oriental Pearl Tower von diesem speziellen Perspektive aus: "When I saw this the first time, I wondered, is that really phallic or is it just my mind?" Ich sehe mir das Gebilde mit einer kleinen Kugel am Ende des langen Turms und zwei grossen unten genau an: "No, I'm afraid it's not your mind, Sophie." Und das Wahrzeichen Shanghais strahlt uns fröhlich mit schillernden Farben von der anderen Seite des Flusses entgegen.








Dachterrasse mit Ausblick - the place to be, Bar Rouge
Ein kurzer Stunt an der Bar und auf dem Parkett, dann werden die Lampen aufgedreht, und die Dunkelheit vom Licht verdrängt: Hier endet unsere Nacht für heute. Aber morgen ist auch noch ein Tag... und eine neue Nacht.

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