Donnerstag, 3. Mai 2007

Im Theater

Am Montag bin ich ins Theater gegangen, um eine traditionelle Oper zu sehen. Doch ich muss feststellen, dass anscheinend Gesang und Musik traditionell sind, aber nicht Kostüme und Story. Denn eine Gruppe Maoisten, komplett in bekannter grüner Uniform mit rotem Kragen plus Käppi mit Stern, stürmt die Bühne und schwenkt, wie soll es anders sein, die rote Fahne! Leider kann ich nicht ausmachen, worum es geht, da es nur chinesische "Seitentitel" links und rechts der Bühne gibt. Irgendwann weiss ich, wer in etwa die Bösen sind (klar, die anderen!), und die Bauern sind natürlich die Verbündeten, das muss fürs Verständnis erstmal reichen.

Die Opernmusik erinnert manchmal an unsere Arien, und wie erwartet werden Trommeln, Laut, Flöte, Streicher und häufig die grosse Schelle eingesetzt, die mit dem charakteristischen 'Boing' aufhört. Anders als bei unseren meist weniger ausdrucksstarken Rezitativen untermalt das Boing hier im gesprochenen Text ein dramatisches Statement, vielleicht etwa so: Der Kampf beginnt! - Boing! - Du kannst doch nicht gehen! - Boing! - Doch, ich muss! Nur ich kann das Land retten! - Boing! Boing! Boing!
Und dann beginnt die Arie.

Auf diese kurzfristigen musikalischen Einsätze reagieren die Sänger immer mit einer gleichzeitigen Körperbewegung, insgesamt ist die Abstimmung der Bewegungen auf die Musik erstaunlich. Die Sänger müssen zugleich auch unglaublich agil sein: Zwischendurch serviert der Hauptdarsteller Tanzeinlagen, hebt vom Boden ab und legt mal eben schnell einen Spagat hin.
Ausserdem gibt es Akrobaten, die Salti, Räder und Flipflops in rasender Abfolge schlagen. Am Schluss folgt noch eine Martial-Arts-Sequenz in Slow-Motion: Durch die Zeitlupe kann man den Ablauf des Kampfes genau verfolgen, das fand ich faszinierend. Am Schluss wird wieder die rote Fahne geschwenkt, die Maoisten haben gewonnen, das war's.

Aber was passiert währenddessen im Publikum? Obwohl das Licht im Zuschauerraum verdunkelt wird wie in der Neuzeit, herrscht ein Verhalten wie bei Shakespeare. Draussen im Foyer kann man Süssigkeiten und Getränke kaufen wie im Kino, im Saal wird genascht und getratscht, bei Begeisterung spontan in die Arien hineingeklatscht und gejubelt, man wechselt den Sitzplatz, man geht mal kurz raus und wieder rein. Eins finde ich schade: Sobald die Vorstellung vorbei ist, strömen die meisten sofort raus, und nur ein Teil des Publikums bleibt und applaudiert, geht vielleicht auch nach vorn. Doch ansonsten gefällt mir die Abkehr vom Zwang, auf dem Platz zwei Stunden festgenagelt und ruhiggestellt zu sitzen, das nun mehr durch ein Gefühl der Selbstbestimmung ersetzt wird, durch eine lebendiges und flexiblere Teilnahme am Geschehen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Mein Gott!! Wie viele neue Sache hast du schon in Shangai ausprobiert?? Es muss eine unglaubliche Erfahrung sein! Ich kann mich es kaum vorstellen...