Aber Menschen sind Jäger und Sammler, und nichts ist so aufregend wie das Erlebnis, jemand anderem grad ein exklusives Kunstwerk abgejagt zu haben (für Studenten gibt es immerhin den Flohmarkt, zum Trost!).
Meine Galerie veranstaltet also ihre erste Auktion. Da alles möglichst professionell wirken soll, gibt es eine Extra-Auktionsfirma, die mit der Galerie verbunden ist und alles die Auktion Betreffende organisiert; ausserdem wird beschlossen, dass die Toilette renoviert werden soll.
Ersteres führt dazu, dass wir von der Galerie zu Beginn keine Ahnung haben, wie alles ablaufen soll und den Fragen etwaiger Besucher hilflos ausgesetzt sind. Das zweite, die Renovierung, fängt gleichzeitig mit der Vorschau für die Auktion an. Die Interessenten sehen sich die ausgestellten Kunstwerke unter lautem Gehämmer, Geklopfe und Gebohre an, während wir sie anbrüllen, ob wir ihnen vielleicht helfen können oder sie einen Katalog möchten.
Zhang Tiemei, Chinese Opera No. 19: Gemälde ohne Geräuschkulisse! Waehrend der Auktion wurde eines der zwei Bilder verkauft, danach sind noch weitere der Serie an einem Tag weggegangen wie Freibier.
Dennoch, nichts anmerken lassen, Form wahren! Die Auktion selbst soll relativ schnell vonstatten gehen; bei mir meldet sich natürlich das Verlangen nach Show. Ich frage, warum es denn keine kurze Präsentation des jeweiligen Künstlers und Werkes gibt, aber das nähme zuviel Zeit in Anspruch (bei 115 Werken!) und sei nicht üblich. Wer mehr wissen wolle, könne den Katalog zu Rate ziehen.
Mein Verlangen nach Show soll aber noch Folgen haben: Ich hatte ja schon zuvor berichtet, dass ich mich scheue, die Werke anzufassen, da ich von kleinauf mein Faible fuer Missgeschicke unter Beweis gestellt habe, oder wie eine Freundin von mir sagte: "Ich hab schon öfters Kaffee fliegen sehen." Leider stehe ich direkt daneben, als mein Chef den Manager beauftragt, hinter den Kulissen zu stehen und die Bilder rauszutragen: "Und Carla kann ja auch mithelfen." - Ich sehe mich schon in Gedanken mit einem megateuren Kunststück hinknallen: "Um... ja, aber die sind doch so wertvoll, soll ich da wirklich..." - "Kein Problem, du bekommst Handschuhe." Was natürlich das oben angedachte Problem total löst.
Es wird auch nicht besser, als der Auktionator alles auf Chinesisch anpreist und wir hinter den Kulissen zuerst keine Ahnung haben, welches Bild wir grad zeigen sollen. Ich trage gemessenen Schrittes die ersten Werke hinaus, zum Vergnügen eines Freundes total asynchron zur Ankündigung, und blicke leicht verschwitzt in die Runde: Wer möchte bitte ein Bild von diesem unglücklich aussehenden Maedchen kaufen? Und klar, ich darf auch das Bild mit dem höchsten Schätzwert raustragen: Ein Hase von Liu Xiaodong, der das bis dato höchstversteigerte Werk chinesischer zeitgenössischer Kunst gemalt hat. Dementsprechend hoch steht auch der Hase im Kurs, und ich trage wahnsinnige 70.000 Euro (in Worten: Siebzigtausend) über die Bühne.
Aber nicht nur für mich ist das Ganze nervenaufreibend: Mein Mitbewohner sitzt im Publikum, fährt sich mit der Hand durchs Haar und wird sofort vom Auktionator fixiert. Schockiert reisst er sofort die Hand runter, um bloss nicht als Mitbieter zu gelten. Das passiert ihm noch ein zweites Mal.
Am Ende bin ich sehr stolz, da ich alles unversehrt präsentiert und sicher an seinen Platz zurückgebracht habe. Der Erfolg der Auktion hingegen war nicht so wie erhofft: Zwar wurde einiges versteigert, doch nicht der geplante Schnitt erzielt. Die Werbung war jedoch super, es kommen immer wieder Leute und fragen nach noch nicht verkauften Bildern oder wollen andere Werke derselben Künstler. Man wird vielleicht nicht von heute auf morgen Sotheby's oder Christies's, aber: Art sells. Always.