Landschaft, genauso wie man sie sich vorstellt: der weite See mit kleinen Reetbooten, dieAlso nehmen wir den Bus, den ich ohne die beiden nie gefunden hätte – wenn man kein Chinesisch spricht, gibt es Hürden, die man kaum nehmen kann (oder die Wissen, Zeit und Nerven fordern). In Hangzhou braucht es noch mal einen Bus und ein Taxi, bis wir endlich am Westsee angelangt sind. Der Westsee war oftmals ein Vorbild fuer chinesische Tuschezeichnungen, viele haben von ihm geschwärmt. Tatsächlich ist es eine wunderschöne über das Wasser zischen, kleine Inseln mit traditionellen chinesischen Häusern, schattige Wege unter Bambus und knorrigen Bäumen, grün bewaldete, sanft geschwungene Berge und die bekannte Liuhe-Pagode.
Leider sind wir nicht die einzigen auf der Suche nach dem irdischen Paradies, und der bis dato heisseste und schwülste Tag wirkt sich nicht grad positiv auf meinen Kater aus und macht den Aufstieg zur Pagode beschwerlich. Zum Glück ist in den Steinweg eine Rolltreppe eingelassen, und in der Pagode gibt es einen Fahrstuhl, es lebe der Fortschritt! Die Pagode wurde einst zerstört und wieder aufgebaut, allerdings nicht hundert pro authentisch. Doreen ist davon enttäuscht: auch mir gefallen echte alte Bauwerke besser, wenn ich auch zugeben muss, dass die Kopie gut ist.
Nach dem Essen (hiesige Spezialität: Hähnchen im Seerosenblatt) gleiten wir mit einem Boot zu den Inseln hinueber. Ich vermisse eine klare Sicht, denn es ist ein diesiger Tag, die Spitzen der Berge und Waelder verschwinden hinter der weissen Dunstschicht. Es verleiht dem Ort jedoch eine mysteriöse, beinahe unwirkliche Ausstrahlung.
Die Leute auf dem Boot neben uns winken mir fröhlich zu, ich grüsse zurück. (Auch auf einer der Inseln passiert es mir, dass zwei Chinesen ein Foto mit mir machen wollen – ich bin eine besoffene Touristenattraktion!) Auf der ersten Insel kaufen wir uns Eis und Fächer; ich sehe sogar einige Männer, die sich Luft zufächeln, was hier kaum weibisch, sondern bei der Hitze absolut notwendig ist! Die zweite Insel ist noch schöner, denn sie hat Binnenseen. Wie die Beschreibung sagt, ein See in der Insel im See.
Dann sind wir unschlüssig: Ich möchte gern das Teemuseum im Teeanbaugebiet in der Nähe sehen, da der Longjing-Tee aus dieser Gegend weithin bekannt ist – Doreens Freund möchte jedoch lieber den berühmten Tempel sehen. Doreen meint, ich würde ja bald wieder nach Deutschland fahren, während sie noch öfters nach Hangzhou kommen könnten; also wird beschlossen, dass wir ins Teemuseum gehen. Das erweist sich als schlechte Idee, denn es gibt keinen direkten Bus dorthin und kein Taxifahrer will uns mitnehmen. Für sie ist es zu nah, um mit der Fahrt gut zu verdienen, für uns hingegen zu weit zum Laufen. Später erfahre ich, dass der Tempel ganz in unserer Nähe war – und ich entschuldige mich, das wäre weit besser gewesen. Wir machen Witze über die Taxifahrer und dass extra für uns alles geschlossen wird. Doreen fragt mich: “Bist du enttäuscht, dass du das Teemuseum nicht sehen konntest?” – “Ein wenig. Aber weisst du, so hat man immer einen Grund, zurückzukommen.”
Nach einem kurzen Spaziergang auf der anderen Seite des Sees besuchen wir die kleine Altstadt: kleine Stände, antike Häuserfassaden, ein Laden mit chinesischer Medizin, ein Goldbuddha und ein traditionelles Teehaus erwarten uns.
Im holzvertäfelten Teehaus sind die Kellner sehr typisch, bis an die Grenze zum Klischee gekleidet: Blaue Uniform mit rundem Hütchen und langen Zopf hinten. Ich trinke den mehrfach erwähnten Longjing-Tee (kann allerdings keinen Unterschied ausmachen), während Doreen und ihr Freund einen anderen lokalen Tee ausprobieren, der kalt serviert wird. Ich hätte gedacht, dass diese für mich neue Entdeckung (kalter Tee) meinen chinesischen Bekannten vermutlich geläufig ist, aber auch die beiden sind erstaunt, ebenso über die unerwartete Action: Die Kellner machen das Eingiessen zur Performance, wirbeln die Giesskannen ähnlichen goldenen Teebehälter kunstfertig in der Luft herum, garnieren dies mit wohlkalkulierten tänzerischen Bewegungen und giessen den Tee dann ueber den Rücken oder von oben in einer Art Vogelposition in die Tasse. Wir bestellen mehrmals einen neuen Wasseraufguss und staunen jedes Mal.
Die Zeit drängt – unser Zug fährt ab. Ich würde diesen Ort gern noch einmal besuchen, denn die Zeit war zu knapp und der Tag zu heiss, um Hangzhou vollends schätzen und geniessen zu koennen. Es entspricht meinem Aufenthalt in China: Ich kann nicht alles sehen und kennen lernen, viele Wuensche bleiben unerfüllt. Aber ich kann einen Eindruck, den Hauch eines Geschmacks von dem Leben hier gewinnen und eine Weile davon zehren. Am Ende kann man ohnehin nicht mehr als Erinnerungen und Träume im Gepäck mit sich führen, und den festen Wunsch, zurückzukehren.