Sonntag, 10. Juni 2007

Inventur!

Was mache ich also in der Galerie? Neben der Kundenbetreuung - vor allem sonntags, wenn ich und die chinesische Kollegin nur zu zweit sind – ist meine Hauptaufgabe Ordnung schaffen! Wenn die wüssten, wen sie sich da ins Haus geholt haben… Meine Kölner WG und meine Eltern rollen sich jetzt wahrscheinlich auf dem Boden vor Lachen.

Zwei meiner Kollegen: Qiu Hoa, der für das Auktionshaus arbeitet, und Li Jun, der Topfotograf, sich mittlerweile eine Auszeit genommen hat, um zu malen

Ich hingegen sollte kurz nach Beginn für die Inventur verantwortlich sein. Nicht so einfach, wenn man die Namen der Künstler noch nicht besonders gut kennt, Bilder nicht sofort identifizieren kann (am besten noch eine Serie mit sehr ähnlich aussehenden Werken!) und die Sachen überall in der Galerie verteilt sind.

Die meisten Programme im Computer sind auf chinesisch und machen jeden Arbeitstag von neuem zu einem Erlebnis. Am besten ist es, wenn ich aus Versehen irgendeinen Knopf gedrückt habe und wieder meine chinesische Kollegin fragen muss: “Kate, I think I just hit some button again… and this screen just popped up… can you please have a look, I don’t know what it says!”


Für das Foto möchte ich Arbeitswut und strebsame Emsigkeit simulieren, aber irgendwie betrachte ich meinen chinesischsprachigen Computer mit derselben Distanzierung und Verwirrung wie immer - vielleicht werden wir doch noch Freunde, auch wenn wir uns nicht verstehen!

(Ich habe mich auch schon immer gefragt, wie man chinesische Zeichen in den Computer eingibt: Nach Befehl zum Zeichenmodus schreibt man in der Pinyin-Umschrift, z.B. He Yunchang, und der Computer wandelt dies dann automatisch in die Schriftzeichen um.)

Zum Glück ist der Werkkatalog nicht auf Chinesisch, sonst hätte mich die Inventur richtig ins Schwitzen gebracht. Aber auch so war es schon nervenaufreibend genug: Mit hehrer Kunst im Wert von jeweils mehreren tausend Euro herumzuhantieren entspricht nicht meiner Vorstellung einer entspannten Arbeitswoche: Heute sind umgerechnet 100.000 Euro durch meine Hände gegangen! Was Börsenmagnaten das unwiderstehliche Gefühl von Macht verleiht, beschert mir nur Magengrummeln.

Nun weiss ich, warum ich Theater so mag: Da kann man nicht so viel kaputtmachen. Vielleicht stört mal jemand an einem Abend die Aufführung, aber was solls, dann spielt man einfach weiter. Und hat am nächsten Tag eine neue Chance. Aber wehe, wenn du bildende Kunst fallen lässt, kurz falsch anpackst, Schrammen oder Dellen verursachst! Schon schlimm genug, wenn man den Abzug einer limitierten Fotoserie oder den Abguss einer Skulpturedition beschädigen würde – doch ein Gemälde ist unwiederbringlich!

Mit diesen Gedanken im Sinn traue ich mich kaum, irgend etwas zu berühren. Die Inventur hat zudem noch einen seltsamen Effekt auf mich: Kunst wird zur Alltäglichkeit. Man kann sie anfassen und kaufen. Frueher waren Kunstwerke für mich magisch, unbezahlbar und jenseits aller irdischen Zuordnungen. Hier zwänge ich alles brav in Titel, Künstlername, Herstellungsdatum, signiert / nicht signiert, zu verkaufen / nicht zu verkaufen / verkauft / geliehen…
Kunst ist Ware und muss als solche katalogisiert warden. Es hat eine Weile gedauert, bis ich diese “Kommerzialisierungsphase” überwunden habe und jetzt nicht mehr denke: Wie breit und hoch? Wann angefertigt? Wer? Was für eine Edition und Nummer? Jetzt sehe ich wieder Kunst.

Zu der Katalogisierung kamen allerdings auch die Bilder: Fotografieren macht natürlich Spass. Mit einer hochwertigen Kamera um den Hals fühlt man sich gleich 10 Grad cooler. Ich bin ein Kommentator! Dokumentator! Ich fange das Zeitgenössische ein! Klick! Klick! Klick!
Und dann hat man ein verwackeltes, unscharfes Bild in der Kamera und ist gleich viel weniger cool. Ein Bild von einem Bild zu machen, ce n'est pas une pipe, das ist keine Pfeife! Aber ich habe auch ein paar richtig gute gemacht.

Und neben der Büroarbeit gibt es auch immer einige Highlights, wie zum Beispiel die Eröffnung einer neuen Ausstellung jeden Monat (!) und neulich sogar die erste Auktion!

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